Ronja Künkler: „Wieviele Katastrophen müssen noch passieren?“

Ronja Künkler Foto: Wildshifts Pictures

Ronja Künkler sitzt in Stadelheim. Seit 29. August – ganz so, als sei sie eine Terroristin. Ihr „Verbrechen“: Sie hat wiederholt mit der „Letzten Generation“ demonstriert. Und nun muss die Studentin und Musikerin für die Zeit der Automobil-Ausstellung IAA ihre Tage im sogenannten Präventivgewahrsam verbringen. Grünen-Kreissprecherin Laura Weber, Direktkandidatin für den Landtag, ist entsetzt: Das bayerische Polizeiaufgabengesetz schieße vollkommen über das Ziel hinaus. „Das ist so traurig.“

Laura hat am Montagabend an einer kurzfristig anberaumten Demo teilgenommen, die Ronjas Eltern initiiert hatten, Pfarrer Hans-Peter Pauckstadt-Künkler und Sigrid Künkler. Die knapp 50 Demonstrant*innen zogen durch die Bürgermeister-Prechtl-Straße zum Macerata-Platz. Ronjas Vater sagte dabei, das Polizeiaufgabengesetz (PAG) werde nun genau dafür angewendet, wovor immer gewarnt worden sei. Die Klimaschützer der „Letzten Generation“ würden mit Schwerverbrechern gleichgesetzt.

Ronja (Künstlername „Ronja Künstler“) hat für den Protestmarsch der Letzten Generation im Juni in Regensburg folgenden Poetry-Slam-Text verfasst:

Liebe Bundesregierung,
liebe Generalstaatsanwaltschaft München,

Habt ihr euch das mal so richtig überlegt,
welche echte Bedrohung da über uns schwebt?
Ich helf´ euch gerne, das zu verstehn:
Lasst uns zunächst mal die Fakten ansehn.

Ist euch bewusst,
dass der Weltklimarat im neuen Bericht warnt,
dass wir die berühmten 1,5 Grad
bereits vor 2030 erstmals überschreiten
und unumkehrbare Folgen sie begleiten.
Wie das Schmelzen des ewigen Eises in Grönland
oder das Sterben der Korallenriffe, die man so schön fand.
Der Regenwald im Amazonas-Bereich
hat seinen Kipppunkt sogar womöglich schon erreicht!
Das ist ein Notstand, um den es hier geht!
1,5 Grad, das bedeutet konkret
Fluten, Stürme, Starkregenfälle,
Brände, Dürren, Ernteausfälle,
lange anhaltende Hitzewellen
und versiegende Wasserquellen.
Darauf folgt meist Krieg um Lebensgrundlagen.
Die Krisen werden die Krisen jagen.

Also wann, liebe Bundesregierung, werdet ihr endlich aktiv?
Statt uns immer zu sagen: „Also so geht das schief.“
Wieviele Katastrophen müssen denn noch passieren,
bis ihr aufhört, die Krise zu ignorieren?
Wir haben verdammt nochmal wenig Zeit!
Es ist ein kleines Fenster, das uns noch bleibt!

Und für mehr Klimaschutz haben wir schon lange ´nen Konsens.
Die Frage ist nur, warum dann niemand umsetzt,
was wir jahrelang
doch schon erarbeitet ham.
Wovon manches so leicht und schnell ginge,
Wäre da nur politischer Wille.

Ein Tempolimit – jetzt sind wir mal ehrlich –
ist im Rest der Welt schon lang unentbehrlich.
Das kostet fast nichts, tut niemandem weh –
außer dem Image von der FDP.
Obwohl Leute, freiheitliche Demokratie,
das braucht keine Rasen-ist-erlaubt-Garantie.

Und übrigens teile ich eine ähnliche Angst,
ich gestehe, dass es auch mir davor bangt,
dass unsre Demokratie, bald so nicht mehr besteht.
Aber nicht, weil sich ein Mensch auf der Straße festklebt.
Sondern weil wir an Stabilität verlieren,
wenn durch Naturkatastrophen Millionen krepieren.
Wenn wir um unsere Lebensgrundlagen ringen,
weil die Felder nicht mehr genug Ernte einbringen.
Weil Brandenburg jedes Jahr wieder verbrennt.
Und im Rhein mal kein, mal zu viel Wasser rinnt.
Weil vor unsren Grenzen die Zahl derer steigt,
denen einfach nichts andres mehr übrig bleibt,
als ihr Zuhause aufzugeben,
weil dort nichts mehr ist, was man braucht, um zu überleben.
Weil Handelsketten
ständig zerbrechen.
Wir mit Wirtschaftsschäden zu rechnen hätten.

Für unsre Gesellschaft ist das nicht leicht zu verkraften.
Da trägt unsre Demokratie dann echt große Lasten.
Wobei vor allem eigentlich die Ärmsten der Armen,
die selbst nicht viel zu den Emissionen beitragen,
die dürfen das dann für uns alle ausbaden.
Das will ich vor allem der angeblichen Arbeiter*inenpartei sagen.

Nach der Wahl haben alle viel von euch erwartet.
Schließlich seid ihr mit nem „Klimakanzler“ an der Spitze gestartet.
Doch statt wirksamer Klimapolitik
übt man sich lieber in Protestformkritik.
Aber wir haben geflyert und echt echt viel demonstriert,
Petitionen gestartet und uns wund diskutiert.
Doch selbst am Tag eines globalen Klimastreiks
hatte die Bundesregierung ihr Klimagesetz vergeigt.
Es war nicht einmal verfassungskonform.
Es hat vor dem Verfassungsgericht verlorn.
Denn laut Grundgesetz, Artikel 20a,
ist der Deutsche Staat auch dafür da,
natürliche Lebensgrundlagen zu schützen,
damit sie auch zukünftigen Generationen nützen.
Also wenn die Regierung unser Grundgesetz bricht,
dann braucht es doch ein friedliches Gegengewicht.

Aber wenn ihr uns jetzt kriminalisiert,
unsre Wohnungen durchsucht und uns diffamiert
als kriminelle Vereinigung,
glaubt ihr wirklich, ihr kriegt uns so stumm?

Wie sollen die Menschen das denn verstehen?
Wenn Gerichte lieber gegen die vorgehen,
die sich für das Einhalten der Gesetze engagieren
und dabei stets vollkommen friedlich agieren?
Wenn man sogar anfängt, sie wegzusperren,
anstatt ihnen endlich mal zuzuhören.

Wenn ihr hier im Publikum auch mehr Tempo im Klimaschutz wollt,
es euch vor Zukunft genau wie mir graut,
euer Kinderwunsch auch schon langsam verblasst,
weil ihr wisst, welche Welt ihr dem Kind hinterlasst,
wenn ihr auch der Meinung seid, da muss was passiern
und merkt, es reicht nicht mehr nur zu demonstrieren…

Dann kommt und werdet endlich aktiv.
Denn immer zu sagen: „Also so geht das schief.“
Und nach Indien und China zu verweisen,
wird nicht das Ruder rumreißen.
Es geht auch nicht um euren einzelnen Verbrauch.
Viel wichtiger wäre, ihr macht euch endlich laut!
Wir sind alle die Letzte Generation, die noch was ändern kann.
Also nutze die Chance und stoß mit uns die Veränderung an!

(Wir sind die unignorierbare Masse
Und tragen den friedlichen, zivilen Widerstand hier auf die Straße!)

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2 Kommentare

  1. Hallo, gerade erst hab ich das entdeckt, super!
    Sind denn die Grünen öffentlich solidarisch mit den Menschen der Letztrn Generation? Ein breiteres Bündnis würde viel bringen für die Klima-Bewegung!

  2. Es ist höchste Zeit, dass wir uns gemeinsam für einen nachhaltigen Wandel einsetzen. Eure Stimme und euer Engagement sind inspirierend, und ich hoffe, dass sie viele Menschen dazu ermutigen, sich für den Umweltschutz starkzumachen. Gemeinsam können wir einen positiven Einfluss auf die Zukunft unseres Planeten nehmen.

    Vielen Dank für eure wichtige Arbeit und dafür, dass ihr uns zum Nachdenken anregt.

    Mit solidarischen Grüßen,
    Karolin